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Andrew Johnson konnte nicht machen, was er wollte


es braucht seine Zeit | aber es braucht auch Entschlossenheit | die Gewaltenteilung
aufrecht zu erhalten und die mögliche Willkürherrschaft  des Autokraten einzuschränken.
Wie die USA ihren verrücktesten Präsidenten loswurden
Nach der Ermordung Abraham Lincolns 1865 wurde sein Vize Andrew Johnson 17. US-Präsident. Er hasste Schwarze, protegierte Pogrome des Südens und negierte den Kongress. Bis der ihn zurückstutzte.
| Lesedauer: 13 Minuten



President Andrew Johnson. Johnson was the 17th President of the United States, serving from 1865 to 1869. He became president as Abraham Lincoln's Vice President at the time of Lincoln's assassination. | Verwendung weltweit






President Andrew Johnson. Johnson was the 17th President of the United States, serving from 1865 to 1869. He became president as Abraham Lincoln's Vice President at the time of Lincoln's assassination. | Verwendung weltweit
„So egoistisch, dass es an eine Geisteskrankheit grenzte“: Andrew Johnson, 17. US-Präsident
Quelle: picture alliance / United Archives/WHA


Dass er Präsident wurde, verdankte sich einem irren Zufall. Es war nicht vorgesehen. Und es erwies sich schnell, dass er für das höchste Amt, das die amerikanische Republik zu vergeben hat, völlig ungeeignet war.
„Der Präsident der Vereinigten Staaten“, schrieb ein Kritiker, „hat eine so einmalige Kombination von Mängeln für die Position eines Beamten der Verfassung, dass er die Chance, die Nation schlecht zu regieren, nur dank einer Heimsuchung des Schicksals erlangen konnte. Sowohl unehrlich als auch hartnäckig, sowohl verschlagen als auch unvernünftig, sowohl eitel als auch schlecht gelaunt, sowohl hungrig nach Popularität als auch willkürlich in seiner Veranlagung, von wankelmütigem Sinn und festem Willen, vereint er in seinem Charakter die scheinbar entgegengesetzten Eigenschaften des Demagogen und des Autokraten.“



Erste Kabinettsitzung der Johnson-Administration




Erste Kabinettsitzung der Johnson-Administration
Quelle: picture-alliance / newscom / Picture History
Der Präsident war „so egoistisch, dass es an eine Geisteskrankheit grenzte“, und er umgab sich „mit Schmeichlern und Intriganten“. Er war ein Rassist. Es gab wilde Gerüchte, dass er mit den Feinden Amerikas im Bunde stehe. Und er geriet in einen heftigen Konflikt mit dem Kongress, weil das Repräsentantenhaus von Mitgliedern der anderen Partei kontrolliert wurde. Am Ende stand ein Amtsenthebungsverfahren.
Die Rede ist von Andrew Johnson, dem 17. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er kam 1865 an die Macht, weil Abraham Lincoln – nachdem er Amerika durch den schlimmsten Konflikt seiner Geschichte, den Bürgerkrieg, geführt hatte – den Kugeln eines rassistischen Attentäters erlegen war. Lincoln hatte in einer Ansprache angekündigt, dass „gebildete Neger“ (damit meinte er vermutlich Schwarze, die lesen und schreiben konnten) in Louisiana das Wahlrecht erhalten sollten. Das hörte auch ein gewisser John Wilkes Booth, der in der Menge stand. Er schrie: „Das bedeutet Bürgerrechte für die Nigger, ich schieße ihn tot, den Hund!“




Ford's Theatre 14. April 1865, Washington D.C.: Der Attentäter John Wilkes Booth schießt aus nächster Nähe auf US-Präsident Abraham Lincoln.
Quelle: picture alliance / Everett Colle/Everett Collection







Booth (1838-1865) war ein bekannter Schauspieler und ein fanatischer Südstaatler. Er wurde in einer Scheune gestellt und erschossen.
Quelle: picture-alliance / newscom / Pi/Newscom







Zur gleichen Zeit fanden Attentate auf Vizepräsident Andrew Johnson ...
Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS/ZUMAPRESS/BuyEnlarge







... und Außenminister William Seward statt. Beide scheiterten.
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Wenige Stunden später starb Lincoln.
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Nach Booth und seinen Mitverschworenen wurde mit allen Mitteln gefahndet.
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Weil John Surratt sich der Polizei entziehen konnte, wurde seine Mutter Mary Surratt angeklagt. Ihr gehörte die Pension, in der Booth & Co. sich trafen.
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Am 7. Juli 1865 wurden Mary Surratt, Lewis T. Powell, David E. Herold und George A. Atzerodt ...
Quelle: picture alliance / akg-images/akg







... hingerichtet. Die übrigen Verschwörer erhielten langjährige Freiheitsstrafen.
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Spätestens als Lincolns Leichenzug durch Washington rollte, wurde der Kriegspräsident zur Ikone der Union.
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Verschwörungstheoretiker behaupten bis heute, Kriegsminister Edwin Stanton (l.) hätte hinter dem Anschlag gesteckt, dessen Versöhnungskurs er missbilligte.
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Am Abend des 14. April 1865, fünf Tage nach der Kapitulation des konföderierten Oberbefehlshabers Robert E. Lee – setzte Booth seinen Vorsatz in einem Theater in Washington in die Tat um: Er erschoss den amerikanischen Präsidenten in seiner Loge von hinten, sprang dann auf die Bühne und brüllte „Sic semper tyrannis!“ (So soll es allen Tyrannen ergehen), ehe er sich aus dem Staub machte, um bald darauf erschossen zu werden.
Abraham Lincoln war Republikaner. Die Republikanische Partei war 1854 von Gegnern der Sklaverei als Abspaltung von der Whig Party, einer Freihandelspartei, gegründet worden. Die Demokraten, ihre Gegner, waren im 19. Jahrhundert die Partei der Besitzstandswahrung, des Status quo und des Rassismus. In den Nordstaaten fanden sie sich zwar bereit, den Krieg gegen den abtrünnigen Süden zu unterstützen – aber ihr Slogan lautete dabei: „Die Union, wie sie war, die Verfassung, wie sie war, und die Neger, wo sie sind.“




Als Messias hießen Sklaven US-Präsident Abraham Lincoln willkommen, als er 1865 in die konföderierte Hauptstadt Richmond ritt.
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Im September 1862, hatten sich am Flüsschen Antietam in Maryland Unions- und Konföderierten-Truppen eine blutige Schlacht geliefert.
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Da es sich um einen strategischen Sieg des Nordens handelte ...
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… nutzte Lincoln die Chance, seinem Kabinett die „Emancipation Proclamation“ zur Befreiung der Sklaven vorzulegen.
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Die Proklamation, die am 1. Januar 1863 in Kraft trat, erklärte alle Sklaven für frei, die sich auf dem Gebiet der Konföderierten Staaten befanden.
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Als Lincoln 1865 in Richmond einritt, hatte er bereits den Verfassungszusatz unterschrieben, der die Sklaverei abschaffen sollte.
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Im Dezember 1865 trat das 13. Amendment in Kraft.
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Im Ersten Weltkrieg warb die US-Armee mit Lincoln, um Farbige für den Einsatz in Europa zu werben.
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Noch heute stellen Traditionsverbände die Schlacht am Antietam regelmäßig nach.
Quelle: picture alliance / dpa
Als Lincoln 1863 mit der „Emancipation Proclamation“ die schwarzen Sklaven in den Rebellenstaaten befreite, reagierten die Demokraten mit Entrüstung. Sie bezeichneten die Republikaner als „Partei des Fanatismus“, die „zwei oder drei Millionen Halbwilde“ dazu ermuntere, „den Norden zu überrennen“ und sich mit „ihren Söhnen und Töchtern zu vermengen“. Zeitungen, die der Demokratischen Partei nahestanden, fragten ihre Leser: „Soll die Arbeiterklasse mit Negern konkurrieren?“
Dass Lincoln sich mit Andrew Johnson einen Demokraten als Vizepräsidenten ins Weiße Haus geholt hatte, war ein Akt der politischen Klugheit: Er wollte ein Präsident der nationalen Einheit sein. Doch nach seinem Tod stellte sich heraus, dass Andrew Johnson, der Rassist aus Tennessee, ein Saboteur war, der die nationale Einheit unmöglich machte. Er versöhnte nicht, er spaltete. Er sprach sich zwar gegen die Sklaverei aus, war aber strikt dagegen, den „Negern“ gleiche Rechte zu geben wie den Weißen. Er sah sich als Fürsprecher der armen, weißen Farmer, die er mit seinem Redestil entzückte; die Gebildeten an der Ostküste stieß er mit seinen groben Manieren ab.



Campaign banner for Republican ticket in 1864 (Photo by: Universal History Archive/UIG via Getty images) Getty ImagesGetty Images




Wahlplakat des Duos Lincoln/Johnson 1864
Quelle: UIG via Getty Images
Am 2. Februar 1866 verabschiedete der Senat den „Civil Rights Act“, das erste Bundesgesetz, das definierte, wer eigentlich amerikanischer Staatsbürger sei. Laut diesem Gesetz waren es „alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren wurden und nicht von einer ausländischen Macht abhängig sind“, mit Ausnahme der Indianer, die eigenständige Nationen bildeten. Ergo: Schwarze waren Amerikaner mit sämtlichen staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten.
Fünf Tage, nachdem der Senat sein Votum abgegeben hatte, besuchte Frederick Douglass Andrew Johnson im Weißen Haus. Douglass war vielleicht der wichtigste amerikanische Intellektuelle des 19. Jahrhunderts – ein Schriftsteller, begnadeter Redner und Sozialreformer, der als schwarzer Sklave in Maryland geboren worden und als junger Mann in die Nordstaaten entkommen war. Douglass sagte zum Präsidenten: „Sie befinden sich in einer Position, in der Sie die Macht haben, uns zu erlösen oder zu zerstören. Ich meine: unsere ganze Rasse.“



United States president Andrew Johnson (1808-1875) is depicted as a bird in a political cartoon published in 1868. The word 'constitution,' shown three times, apprears to be coming from his mouth. The original caption reads: The Paroquet of the Wh--e Ho--e. (Photo by Stock Montage/Getty Images) Getty ImagesGetty Images




Lautstarkes Gezeter: Karikatur auf Johnsons Politikstil
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Andrew Johnson antwortete mit einer langen, wirren Ansprache, in der er beteuerte, er sei immer ein Freund der Schwarzen gewesen; er habe zwar Sklaven besessen und erworben, aber nie welche verkauft. Nachdem Frederick Douglass gegangen war, knurrte Johnson: „Er ist wie jeder Nigger und würde am liebsten Weißen die Kehle durchschneiden.“ Nachdem auch das Repräsentantenhaus den „Civil Rights Act“ abgesegnet hatte, legte Andrew Johnson sein Veto ein.
Er versuchte, auch das Fourteenth Amendment – mit dem der Grundsatz, dass alle in Amerika geborenen Personen (auch ehemalige Sklaven und Abkömmlinge von Sklaven) Amerikaner seien, in Verfassungsrang erhoben wurde – mit seinem Veto zu stoppen. Das Veto wurde beide Male vom Kongress außer Kraft gesetzt, ein Vorgang, den es noch nie in der amerikanischen Geschichte gegeben hatte. Nun war etwas geschehen, was in der Verfassung überhaupt nicht vorgesehen war: Der Präsident musste in seiner Rolle als oberster Vertreter der Exekutive Gesetzen Geltung verschaffen, die er vorher mit lautstarkem Gezeter abgelehnt hatte.



UNITED STATES - CIRCA 1865: Andrew Johnson, full-length portrait, standing, facing right, with table and chair (Photo by Buyenlarge/Getty Images) Getty ImagesGetty Images




„Er ist wie jeder Nigger": Andrew Johnson (1808-1875)
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Seine Ablehnung der von den Republikanern beschlossenen Gesetze begründete Andrew Johnson so: Es handle sich um Diskriminierung. Der „Civil Rights Act“, sagte er, unterscheide zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe nur, um „zugunsten der Farbigen und gegen die Weißen zu wirken“. Als 1866 ein Gesetz beschlossen werden sollte, dass die ehemaligen Sklaven ein Recht auf Landbesitz und ihre Kinder ein Recht auf Schulbesuch hätten – und dass Militärgerichte für ihre Klagen zuständig seien –, widersprach Präsident Johnson: Dadurch würde „eine begünstigte Klasse von Bürgern“ geschaffen.
Es war ein Zusammenstoß zwischen zwei Weltanschauungen: Die Republikaner (vor allem ihre radikale Fraktion, die damals im Kongress an der Macht war) wollten die geschlagenen Südstaaten nicht so lassen, wie sie waren. Ihnen schwebte die Vision einer Demokratie vor, an der alle Bürger, ganz gleich welcher Hautfarbe, teilhaben sollten; das bedeutete, dass erst einmal den ehemaligen Sklaven geholfen wurde. Die Demokraten, für die Andrew Johnson stand, wollten über das Ende der Sklaverei hinaus eine hierarchische Ordnung der Rassen erhalten: Weiße oben, Schwarze unten.
Am Anfang seiner Präsidentschaft versuchte der republikanische Kongress, den demokratischen Präsidenten durch Anhörungen und Gesetzesvorlagen im Zaum zu halten, mit denen sie ihn mancher seiner Rechte beraubten – dabei arbeiteten die Republikaner im Kongress mit Mitgliedern von Andrew Johnsons Kabinett zusammen. Bald sah er sich von „Blutsaugern und Kormoranen“ umzingelt.
Dann kamen das Frühjahr und der Sommer des Jahres 1866. Im Mai dieses Jahres formierte sich in Memphis, Tennessee, ein weißer Mob, dem auch Feuerwehrmänner und Polizisten angehörten. Angefeuert von rassistischen Politikern, fiel dieser Mob über die Stadtviertel der Schwarzen her, von denen viele hungrig und krank waren. Die Weißen erschossen und erschlugen ohne Gnade alle, die ihnen vor die Gewehrläufe und Knüppel kamen – Männer, Frauen, Kinder –, zündeten Häuser der Schwarzen an, beraubten sie ihrer letzten Habseligkeiten.



1866: A political cartoon from Harper's Weekly showing President Andrew Johnson, in the guise of a Roman Emperor, watching the race riots at New Orleans and doing nothing to prevent them. (Photo by MPI/Getty Images) Getty ImagesGetty Images




Karikatur auf Johnsons Untätigkeit während der Pogrome gegen Schwarze
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Es wird geschätzt, dass 150 Menschen dabei zu Tode kamen; viele mehr wurden verwundet; 90 Häuser gingen in Flammen auf. Die Überlebenden dieses Pogroms waren verängstigt und zerstreuten sich in alle Winde. Im Juli 1866 war es in New Orleans, Louisiana, dasselbe furchtbare Bild: Ein weißer Mob ermordete 50 Schwarze, viele von ihnen Veteranen des Bürgerkrieges. Ihr Verbrechen? Sie hatten das Wahlrecht gefordert. Der Präsident im fernen Washington tat nichts, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Schließlich war dieser weiße Mob der harte Kern seiner Anhängerschaft.
Der Kongress versuchte wiederholt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Andrew Johnson einzuleiten. Diese Versuche, eine Serie von Fehlstarts, zogen sich bis zum Februar 1868 hin. Dann versuchte Andrew Johnson, seinen Kriegsminister Edwin Stanton – den er von Abraham Lincoln geerbt hatte – zu entlassen. Der Kongress hatte ihn aber dazu verpflichtet, Stanton, der für die Neuordnung („reconstruction“) der Südstaaten war, als Kriegsminister beizubehalten. Als Johnson sich nicht an diese Abmachung hielt, war dies für den Kongress der casus belli: Eine Woche danach stimmte die Mehrheit des Repräsentantenhauses dafür, Andrew Johnson aus dem Weißen Haus zu entfernen. Es war das erste „impeachment“ in der amerikanischen Geschichte.



After the Civil War, Johnson gave pardons to many Confederate rebels, including the president of the Confederacy, Jefferson Davis (1808?-1889), and other leaders of secession. This print was an illustration in the October 14, 1865 issue of Harper's Weekly. Photo via Newscom |




Mit die Begnadigung zahlreicher Rebellen gewann Johnson die Sympathie der Südstaatler
Quelle: picture-alliance / newscom / Picture History
Die Möglichkeit eines solchen „impeachment“ hatten die Amerikaner von den Engländern und Schotten geerbt: Schon im britischen Mutterland konnten das Unter- und das Oberhaus gemeinsam Beamte Ihrer Majestät – etwa Richter – durch ein ordnungsgemäßes Amtsenthebungsverfahren stürzen. Die gekrönten Häupter aber waren davon selbstverständlich ausgenommen. Sie standen über dem Gesetz.
Ein König kann abdanken (oder, wie im Falle von Karl I., nach einer erfolgreichen Revolution mit dem Handbeil geköpft werden); es gibt jedoch keine Möglichkeit, ihn innerhalb des bestehenden Regierungssystems dazu zu zwingen, seine Krone abzulegen und den Palast zu räumen. Das „impeachment“ ist also das Merkmal, durch das eine Republik sich von einer Monarchie unterscheidet.



A facsimile of the ticket of admission to the impeachment of President Andrew Johnson March 13, 1868. The House approved 11 articles of impeachment against Andrew Johnson in 1868, arising essentially from political divisions over Reconstruction following the Civil War. After a 74-day Senate trial, the Senate acquitted Johnson on three of the articles by a one-vote margin each and decided not to vote on the remaining articles. (Library of Congress) Getty ImagesGetty Images




Zulassungs-Ticket für das Verfahren
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Das „impeachment“, wie es die Gründerväter der amerikanischen Republik in der Verfassung festschrieben, ist ein politischer, kein juristischer Prozess. Die Gerichte sind nicht zuständig: Ein Amtsenthebungsverfahren geht einzig und allein von den gewählten Volksvertretern aus. Allerdings spielen die Volksvertreter hierbei die zwei Stufen eines angelsächsischen Gerichtsverfahrens nach. Im ersten Akt fungiert das Repräsentantenhaus als Grand Jury: Es entscheidet mit einfacher Mehrheit darüber, ob ein „impeachment“ eingeleitet werden soll. Dabei muss über jeden Punkt der Anklageschrift eigens angestimmt werden.
Im zweiten Akt fungieren die Senatorinnen und Senatoren – unter Vorsitz des Obersten Richters des Supreme Court – als Geschworene. Sie entscheiden darüber, ob der Präsident tatsächlich aus dem Amt entfernt wird oder nicht; damit das Amtsenthebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen wird, ist eine Zweidrittelmehrheit nötig.



An engraving showing the impeachment trial of President Andrew Johnson in the Senate March 13, 1868. The House approved 11 articles of impeachment against Andrew Johnson in 1868, arising essentially from political divisions over Reconstruction following the Civil War. After a 74-day Senate trial, the Senate acquitted Johnson on three of the articles by a one-vote margin each and decided not to vote on the remaining articles. (Library of Congress) Getty ImagesGetty Images




Nach dem Vorbild eines Gerichtsverfahrens: das "impeachment" gegen Johnson im Senat
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Das „impeachment“ ist ein politischer Prozess – aber politische Gründe reichen nicht aus, um ihn einzuleiten. Der Kongress hat nicht das Recht, einen Präsidenten aus seinem Amt zu entfernen, weil die Mehrheit seiner Mitglieder mit seinen Ansichten nicht einverstanden ist. Vielmehr muss dem Präsidenten nachgewiesen werden, dass er ein Landesverräter ist (und hierfür ist die Schwelle sehr hoch: er müsste einem Feind aktiv geholfen haben, mit dem sich die Vereinigten Staaten in einem offenen Kriegszustand befinden); oder dass er Bestechungsgelder angenommen hat; oder dass er sich anderer „high crimes and misdemeanors“ schuldig gemacht hat.
Mit „high crimes“ sind wahrscheinlich (die Juristen sind sich nicht ganz einig) Verbrechen gemeint, die er im Amt ausgeübt hat; ein „misdemeanor“ ist vermutlich ein Fehlverhalten, mit dem er das Amt schädigt. Ein Präsident, der nach dem ersten Jahr seiner Amtszeit feststellt, dass ihn Washington langweilt und er lieber in den Rocky Mountains zelten möchte, kann durch „impeachment“ aus dem Amt gejagt werden. Ein Präsident, der sich weigert, Gesetze durchzusetzen, die der Kongress beschlossen hat, weil sie ihm nicht gefallen, ist unbedingt ein Kandidat für ein „impeachment“.
Ein Präsident, der grobe, rassistische Reden führt, ist das jedoch nicht. Mit einer Metapher zu sprechen: Wer in den Vereinigten Staaten ein Amtsenthebungsverfahren einleitet, der greift zur Axt, schlägt das Glas ein und drückt den Feuermeldeknopf. Ein „impeachment“ ist nichts Alltägliches und soll es auch nicht sein. Ein amerikanischer Präsident soll – anders als etwa eine deutsche Bundeskanzlerin – nicht in ständiger Furcht vor einem Misstrauensvotum des Parlaments leben.



File photo dated 09 August 1974 of the 37th President of the United States, Richard Nixon, as he bids farewell to the White House staff. Family members are (L-R): First Lady Pat Nixon, hidden behind the President, daughter Tricia Nixon Cox and her husband Edward Cox. (Photo by WHITE HOUSE / AFP) (Photo credit should read WHITE HOUSE/AFP/Getty Images) Getty ImagesGetty Images




US-Präsident Richard Nixon entzog sich dem Verfahren durch seinen Rücktritt im August 1974
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Die Gesamtzahl aller amerikanischen Präsidenten, die durch ein Amtsenthebungsverfahren gestürzt wurden, beträgt weiterhin null. Richard Nixon stürzte nicht durch ein „impeachment“ – er trat freiwillig zurück, als seine republikanischen Parteifreunde ihm klarmachten, dass er ein Amtsenthebungsverfahren nicht überleben würde.
Das „impeachment“ gegen Bill Clinton scheiterte am Senat. Und auch das erste Amtsenthebungsverfahren der amerikanischen Geschichte – jenes gegen Andrew Johnson – wurde im Senat abgeschmettert. Genau eine Stimme fehlte. Dabei wurde der Senat damals von den Republikanern kontrolliert. Die Senatoren hatten im letzten Moment kalte Füße bekommen.



WASHINGTON, : US President Bill Clinton walks to the podium moments before reading a statement in the Rose Garden of the White House after the Senate voted not to impeach him 12 February in Washington, DC. Clinton apologized for the actions that led to his impeachment and subsequent acquittal by the Senate, saying he was "profoundly sorry." (ELECTRONIC IMAGE) AFP PHOTO/Stephen JAFFE (Photo credit should read STEPHEN JAFFE/AFP/Getty Images) Getty ImagesGetty Images




US-Präsident Bill Clinton nach dem gescheiterten "impeachment" im Februar 1999
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Die Anhänger von Andrew Johnson waren entzückt: In Milwaukee fuhren sie im Pferdewagen die Hauptstraße hinunter und tranken Bier aus einem Fass, in Boston und Hartford (Connecticut) feuerten Kanonen je 100 Salutschüsse ab; in Dearborn, Michigan, gab es nur 19 Salutschüsse, dafür aber ein gewaltiges Feuerwerk.
Stevenson Archer, ein Demokrat aus Maryland, feierte das Abstimmungsergebnis, als sei dadurch in letzter Minute der Zusammenbruch der Zivilisation verhindert worden. Wäre Andrew Johnson aus seinem Amt entfernt worden, sagte Archer, dann hätten „dunkelhäutige Teufel“ den hilflosen Amerikanern das Blut aus den Kehlen gesogen. 1868 veranstalteten die Demokraten einen Parteikongress, dessen Motto lautete: „Dies ist ein Land für weiße Männer – also sollen weiße Männer es regieren.“
Bis vor Kurzem herrschte in der amerikanischen Geschichtsschreibung, wenn es um die Zeit nach dem Bürgerkrieg ging, ein wehleidiger Ton vor: Die Südstaaten wurden als Opfer hingestellt, die in der Zeit der „reconstruction“ von geschäftstüchtigen Yankees und brutalen Unionssoldaten kujoniert worden seien. Dies prägte auch die Sicht auf das Amtsenthebungsverfahren gegen Andrew Johnson.
Der 17. Präsident erschien als unschuldiges Objekt einer Intrige von gewissenlosen Republikanern. Später wurde eine zweite Interpretation der Ereignisse des Jahres 1868 populär: Danach war es verlorene Liebesmüh, dass der Kongress versuchte, Andrew Johnson loszuwerden – er hätte seine Kräfte besser für wichtigere Aufgaben verwenden sollen. Beide Interpretationen sind falsch.
Andrew Johnson fiel keiner Intrige zum Opfer. Er war selber ein Intrigant, der sein Bestes tat, um die Errungenschaften des amerikanischen Bürgerkrieges wieder rückgängig zu machen. Er verletzte den Amtseid auf die Verfassung, den jeder amerikanische Präsident bei seinem Amtsantritt leisten muss; der Kongress hatte also nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, alles zu versuchen, um den Saboteur im Weißen Haus von der Macht zu entfernen.



The vote of the Senate, sitting as the High Court of Impeachment for the trial of Andrew Johnson (1808 - 1875), 17th President of the USA (1865 - 1869). He became involved in a feud with the Radical Republicans over his conciliatory policy to the defeated South, and they therefore impeached him. They failed to convict him by one vote. (Photo by Hulton Archive/Getty Images) Getty ImagesGetty Images




Das Abstimmungsergebnis des "impeachments" im Senat
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Dass jener Versuch scheiterte, ist gewiss schade. Aber immerhin hatte das „impeachment“ den Effekt, dass Andrew Johnson mindestens drei Monate lang, vom März bis Juni 1868, mit nichts anderem beschäftigt war und keinen weiteren Schaden anrichten konnte. Und auch nachdem das Amtsenthebungsverfahren gescheitert war, hatte er seinen Elan verloren.
Andrew Johnson blieb nur noch bis zum März 1869 im Amt (er verlor die Wahl gegen Ulysses S. Grant, der Lincolns gefeierter General und Oberkommandierender im Bürgerkrieg gewesen war); und in seiner verbleibenden Amtszeit fühlte er ständig die scharfe Drohung eines weiteren „impeachment“ – das diesmal ja erfolgreich sein konnte – wie ein Schwert über seinem Haupt hängen. Das heißt: Der Grobian aus Tennessee wurde plötzlich ausgesprochen höflich und kompromissbereit. Übrigens kann die Mannschaft von Präsident Clinton von einer ähnlichen Erfahrung berichten. Obwohl das Amtsenthebungsverfahren von 1998 nicht zum Ziel führte, gelang es Clinton danach nicht mehr, auch nur ein einziges seiner Vorhaben in die Tat umzusetzen.



NEW YORK, NY - DECEMBER 14: People protest outside of the Fox News Channel headquarters to demand the resignation of President Donald Trump after accusations of sexual assault have re-surfaced against him on December 14, 2017 in New York City. Numerous high profile Fox executives have resigned after charges of sexual assault have forced them to resign. (Photo by Spencer Platt/Getty Images) Getty ImagesGetty Images




Die Forderung nach "impeachment" begleitet die Präsidentschaft von Donald Trump
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Manchmal hält die Geschichte klare Lehren bereit. Hier ist es diese: Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump wäre wahrscheinlich chancenlos. Gleichzeitig ist es dringend geboten. Trump hat vom ersten Tag seiner Amtszeit an versucht, die Gewaltenteilung – also die Basis der amerikanischen Demokratie – zu unterminieren.
Gerichte untersuchen zurzeit, ob er gegen die „emoluments clause“ der amerikanischen Verfassung verstößt, wenn ausländische Diplomaten in seinen Hotels absteigen. Natürlich würde ein „impeachment“ im Senat scheitern, wo Trumps Republikanische Partei (die mit Abraham Lincolns Partei nur noch den Namen gemein hat) über die Mehrheit verfügt. Aber ein Amtsenthebungsverfahren würde Trumps Macht doch empfindlich einschränken, so wie es seinerzeit die Macht von Andrew Johnson eingeschränkt hat. Und schon das wäre ein wichtiger Sieg.

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