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die literarische Kolumne 08. Mär 2024 

Auf zum Kampf, Genossinnen

«Alle schwarzen Löcher werden irgendwann einfach verschwinden, in einem leichten Windhauch von Strahlung.»
Paul Davis


Am Achten Dritten ist Frauenkampftag. Hurra.

Auf, auf zum Kampf, Genossinnen.

Der Tag wird im Zeichen der Solidarität, des Empowerments, für den Kampf gegen Gewalt und so weiter stehen, Frauen sind laut, sie wehren sich, glaubt den Frauen, Nein heisst Nein, all die wichtigen Anliegen der Intersektionalen Bewegung klingen so seltsam schwach, wenn man in dem Zusammenhang oder in allen anderen Zusammenhängen den brutalen Angriff auf jüdische und israelische Frauen totschweigt.

Wenn man schweigend akzeptiert, dass Überlebenden nicht geglaubt wird, ihr Leid nicht zählt, ihre Stimme nicht gehört wird. Als ob man sie belegen müsste, die Morde, die bestialischen Vergewaltigungen, die Verstümmelungen, die Schändungen am 7. Oktober. Als stünden sie, falls sie noch stehen können, nackt vor dem erbitterten Welt-Tribunal , das sie in den Kontext ihrer Regierung begutachtet, das mit Butterbrotpapier raschelt, während sie ihre Geschichten erzählen, falls sie noch reden können, falls sie noch leben, falls sie überleben.

Als ob man sich nicht vorstellen könnte, was mit den Frauen und Mädchen in der Haft der Hamas passiert ist, als ob man sich das Unvorstellbare nicht vorstellen könnte, das nicht endende Grauen der Ohnmacht, der hoffnungslosen Dunkelheit, von dem sich Frauen und Mädchen, falls sie noch leben, vermutlich nie erholen werden.

Im Stich gelassen von einer Regierung, die nur an ihrem Erhalt interessiert ist, verlacht, verhöhnt von vielen Muslimen im Netz, relativiert von Linken, verhöhnt von Rechten, verlacht von der Gemeinschaft der Wohlmeinenden, totgeschwiegen in den Medien, von Frauenvereinen, von der Uno, der UNESCO und wie all diese Vereine heissen, die sich schon bei den verlassenen, vergessenen Frauen in Afghanistan durch nichts ausgezeichnet haben.

Wie könnt ihr schweigen, Feministinnen aller Länder, wie könnt ihr still sein, ein Ja aber denken oder sagen, wie könnt ihr relativieren und euch nicht für eine Sekunde Empathie gestatten, weil es nur israelische Frauen sind? Weil es vorwiegend NUR Jüdinnen sind. Wie könnt ihr euch im Spiegel betrachten mit eurem Schweigen, weiter an Gesetzesentwürfen sitzen und Reden vorbereiten und Ted Talks und Demos für faire Löhne organisieren, und faire Gesetze und fair ist hier gar nichts, an eurer Ruhe, oder habt ihr Angst vor einem Shitstorm? Einer Flut von ja aber die Palästinenserinnen. Könnt ihr ein Leid gegen das andere ausspielen, eines totschweigen, die Freiheit, Gleichheit aller Frauen auf der Welt, die grosse Schwesterngemeinschaft, vereint im Kampf gegen Sexismus, Kapitalismus, gegen den Krieg, gegen Frauen, den Femizid, der hier dutzendfach verübt wurde, und ein Land zu demütigen, um Juden weltweit zu erschüttern, ihnen das Gefühl der Bodenlosigkeit zu geben, sie zu zerstören wie ihre Töchter und Schwestern und Mütter. Nicht ernst zu nehmen ist jede feministische Bewegung, die schweigt, die abwägt, relativiert, weil es sich um was für eine Art Frauen handelt? Solche mit Brüsten, einer Sehnsucht, einem Herzen, einem Gesicht, mit Hoffnungen, die ermordet wurden, und verstümmelt und gebrochen. Und nun kümmern wir uns wieder um den Gender-Pay-Gap, um nur Ja heisst Ja, um all diese wichtigen Sachen, und vergessen wir die Schwestern in den Kellern und Bunkern in der Dunkelheit.

Sibylle Berg ist deutsch-schweizerische Schriftstellerin und Dramatikerin. Sie lebt in Zürich.

Sibylle Berg

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